Granfondo Stelvio Santini
Nach dem ein oder anderen Jedermann sollte es mal ein Granfondo sein, in den Alpen.
Appetit machte ein Artikel in der Tour: Stelvio zum Dessert – von einer „Schippe Asphalt auf die Almwiese geworfen“ war da die Rede und von „umfallenden Radfahrern…“
Sowohl in dem Artikel wie auch auf der Website war die Rede von einem medizinischen Attest und einer Lizenz. Lizenz, wie jetzt? Im Netz fanden sich Hinweise, dass die Lizenz wohl niemand interessiere, das Attest dagegen schon.
Nach Bormio zu reisen und dann evtl. nicht starten zu dürfen erschien mir aber riskant. Eine Recherche über den RSV brachte auch keine Klarheit, aber Roland besorgte kurzer Hand die Lizenz, vielen Dank an ihn und den Verein!
Das Attest sollte gegen 5 Euro Gebühr über eine separate Website hochgeladen oder vor Ort vorgelegt werden. Online war mir zu blöd, also vor Ort (dort zahlte ich dann 20,00 Euro Gebühr).
Vor Ort tolles Wetter aber campen auf 1.200 m war Ende Mai recht frisch. Gavia und Stelvio hatten noch Wintersperre, Freigabe prognostiziert für den Tag vor dem GF. Aber Peifedeckel, kurz vorher noch Neuschnee und das war’s dann. Die Bergankunft musste vom Stelvio auf einen anderen Berg verlegt werden, sodass 600 der versprochenen 4.000 Hm fehlten. Halb so schlimm, war für mich doch die eigentliche Herausforderung ohnehin der Mortirolo. Einige Dänen und Norweger, die die kürzere Variante ohne Mortirolo gebucht hatten, machten dagegen Gesichter, in etwa so lang wie deren Anreise. Shit happens.
Start morgens früh in Bormio in Startblöcken im 2 Minuten Abstand. Die Einteilung erschloss sich dem Nordeuropäer nicht ohne weiteres, vermutlich gewürfelt.
Ca. 40 km das Veltlin Tal runter bis Tirano zum ersten Anstieg, durch Weinberge, etwa 400 Hm, nach Teglio (siehe auch Bergzeitfahren Giro rosa), dort erste Verpflegung. Sehr nett. Dann im Bogen das Tal zurück Richtung Mortirolo. Nicht die von den Profis beim Giro einige Tage zuvor gefahrene „flache“ Seite, sondern gib ihm, von Tovo di Sant Agatha. Die steilen Passagen werden mit Schildern angekündigt, ein bis maximal fünf Zahnräder sind die Symbole für den Schwierigkeitsgrad. Drei, später dann vier von fünf Zahnrädern mit Steigungen bis 20 % ließen auf ein heiteres Finale schließen. Als ein Zitronenfalter die Spitzengruppe überholte, stiegen die ersten Fahrer vom Rad. Ein Teilnehmer überschlug sich mal eben nach hinten bei dem Versuch, sich am Lenker in den Wiegetritt hochzuziehen – das war nur die zweitbeste Idee (fahren die kein Bergrad im Winter?) – hoffentlich ist der arme Tropf abends nicht im Gipsbett aufgewacht.
Später dann die versprochenen 25 Prozent, mit 36/34 auf trockener Straße aber gut machbar. Wenn jedoch zwei Leute nebeneinander, auf rutschigen Rennradschuhen, radschiebend den Berg hochschlingern, ist auf einem Weg, der gerade mal so PKW-Breite hat, wenig Platz zum Fahren. Der gesellige Italiener schiebt aber gerne paarweise, krzgwttr nchml. Hier bedurfte es der ein oder anderen freundlichen aber energischen Regieanweisung.
Dann Abfahrt zurück ins Tal, zügig jedoch ohne Hast, da unklar, ob die Straßensperre für Kfz. noch Bestand hatte. Unten die nächste Verpflegung – u.a. Käsebrocken (Parmigiano? Lecker!) nebst Schnittchen, Kuchen, Obst, Riegel…. Das Angebot war überdurchschnittlich.
Unspektakulär zurück nach Bormio, zur letzten Verpflegung vor dem Schlussanstieg. Auf der Piazza hatte man eine Siebträgermaschine aufgebaut und es gab Espresso zum Futter, sehr geil!
Jetzt noch ein wenig Fleißarbeit, die letzten paar hundert Meter hoch zur Zielankunft am Lago Cancano auf knapp 2.000 (siehe 5. Etappe Giro Rosa). Die Auffahrt an der Südseite war, sagen wir, sonnig. Kurz vor dem Ziel, im Schuss eine kleine aber steile Abfahrt runter, die unvermittelt in einer Schotterpiste endet, … ich war dann aber wieder wach – Zieldurchfahrt, Schlussverpflegung.
Zeitnahme erfolgte über die ganze Strecke, gewertet wurden aber nur die Anstiege, wohl in der Hoffnung, es möge sich der rennverliebte, italienische Sonntagsprofi nicht schon in der ersten Abfahrt entleiben. Achtung: Zeitnahme nur für die in dem Trikot des Veranstalters gewandeten Teilnehmer (im Preis incl.) – ein anderes Trikot führt zur Disqualifikation!
Über mein Ergebnis sei der Mantel des Schweigens gebreitet, aber ich musste am Berg nicht aus dem Pedal, hatte ein prima verlängertes Wochenende und viel Spaß – Ziel erreicht.
Sehr professionell und trotzdem liebevoll organisierte Veranstaltung. Prädikat empfehlenswert, wenn man sich in der Region etwas länger aufhält, sonst zu weit.
Ach, die Lizenz: hat keine Sau interessiert!
Andreas