Pyrenäen 2018 – Quäl Dich, Du Sau!

Nein, dies ist kein Bericht einer harten und spaßbefreiten Trimm-Dich-Woche in den Pyrenäen. Dass der Titel dennoch diese ereignisreiche Etappenfahrt widerspiegelt, liegt zum einen an der Eigenschaft dieses Gebirges, immer wieder mit Rampen >15% aufzuwarten, bei denen man gar nicht anders kann, als sich zu quälen und zum anderen am Motto der Woche, sich selbst – und auch die Ausdruckweise der Anderen – nicht ganz so ernst zu nehmen.

Organisatorisches

Strecke
Einmal über die Pyrenäen (oder auch am Bergkamm entlang) sollte es gehen, vom Atlantik zum Mittelmeer. Die Richtung West-Ost wurde bestimmt durch die vorherrschende Windrichtung, um möglichst wenig unter Gegenwind zu leiden und der Praktikabilität der An- und Abreise (s. u.). Irgendwie erschien es mir unkomplizierter, nur in einem Land zu fahren und keine Staatsgrenzen zu überschreiten, weshalb die Route auf der französischen Seite verlief. Letztlich wurden die wichtigsten Pyrenäenpässe mithilfe der Heatmaps von Strava verbunden und Etappen von ca. 100 km mit 2-2,5k hm eingeteilt. Sehr hilfreich sind (bzw. waren, da momentan nur eingeschränkt in Betrieb) auch die Berichte, Informationen und Umgebungskarten auf quäldich.de. So hatten wir sieben Radtage, zusätzlich einen Ruhetag sowie die Tage für An- und Abreise. Die relativ entspannte Planung hatte den Vorteil, keinen Stress bei den Pausen oder Streckenabweichungen / Pannen (die wir glücklicherweise nicht hatten) zu haben und die Fahrten vollends genießen zu können.

Anreise
Wir reisten zu Dritt mit dem Auto an. Dabei machten wir einen ersten Stopp am Mont Ventoux (siehe separater Bericht) und fuhren dann von dort nach Perpignan, wo wir einen Mietwagen ausliehen und das eigene Fahrzeug stehen ließen. Den Mietwagen konnten wir in Biaritz am Flughafen abgeben, wo am nächsten Tag unsere erste Etappe startete. Die Rückfahrt traten wir nach der letzten Etappe wieder von Perpignan aus an. Die Tage im Auto waren lang und anstrengend, dafür der Transport der Räder recht unkompliziert und komfortabel möglich.

Zeitraum
Unsere Reise fand in der zweiten Augustwoche statt. Letztlich hatten wir sehr viel Glück mit dem Wetter, hatten nur einmal richtig Regen und einige Wolkenfelder, durch die wir fahren mussten. Vermutlich ist das Wetter im Juli sicherer, dann ist das Klima aber auch nichts für Hitzeempfindliche.

Übernachtung
Über booking.com fanden wir einfache Pensionen und Hotels auf der Strecke. Die Besiedelung in den Pyrenäen ist in einigen Gebieten allerdings eher spärlich und unsere recht kurzfristige Buchung hat die Auswahl nochmals eingeschränkt. Letztlich konnten wir uns aber mit Ausnahme einer Unterkunft an allen Orten wohlfühlen. Das Verstauen der Fahrräder war in der Regel kein Problem.

Gepäck
Wie auf einigen Bildern zu sehen, sind wir nur mit dem nötigsten Gepäck gereist, das wir jeweils in einer Satteltasche von Ortlieb transportierten. Wir hatten neben einem Trikotsatz (den wir täglich gewaschen haben), ergänzbar durch Knie-/ Armlinge, Windweste/ -jacke, Schlauchschal und Überschuhe einen Satz Freizeitkleidung, Unterwäsche, Badesachen, Drogerieartikel und das nötigste Werkzeug dabei. So belief sich das Gewicht des Gepäcks auf nur ca. 4-5 Kilo. Natürlich spürt man die Satteltasche, vor allem im Wiegetritt. Die Tasche ist aber sehr gut zu montieren, sodass sie wenig schlackert und die Gurte erscheinen extrem robust, sodass man sich auch bei Schlaglöchern und Co. keine Sorgen machen muss. Das Fahren ist so deutlich entspannter als es z. B. mit einem Rucksack möglich wäre.

Verpflegung
Da wir ja eher eine Cappuccino-Tour geplant hatten, wurden Riegel und Gels weitgehend aus dem Gepäck verbannt. Bei unseren Unterkünften war jeweils Frühstück und z. T. auch Abendessen enthalten. Die Franzosen haben leider die Angewohnheit, morgens nicht mehr als Baguette mit Butter und Marmelade zu essen. Nach diesem mehr oder weniger stärkenden Frühstück suchten wir uns auf dem Weg Verpflegung bei Bäckern, Bistros, Restaurants und Supermärkten. Meistens klappte das auch ganz gut. Die bereits erwähnte z. T. eher dünne Besiedelung dieser Landstriche führte allerdings auch zu der ein oder anderen Hungerphase auf der Strecke. Zu beachten ist außerdem, dass viele Franzosen mit Vegetarismus nichts anfangen können und es durchaus vorkommt, dass es kein einziges vegetarisches Gericht auf der Karte gibt.

Sprache
Last but not least. Die Franzosen sind keine Sprachtalente. Sicherlich kommt man mit einzelnen Wörtern, Händen und Füßen recht weit, auch wenn es zur Belustigung der Allgemeinheit führt. Bei wirklichen Problemen hilft es dann aber doch, die Landessprache zu beherrschen.

Die einzelnen Etappen im Detail



Tag 1: Start der Pyrenäen-Tour – Lotte fährt im ersten Gang!

Wir hatten die Unterkunft vor dem ersten Radtag über Airbnb gebucht und hatten mit unseren Gastgebern Marie und Vincent großes Glück. So halfen sie uns nicht nur bei der Rückgabe des Mietwagens, sondern servierten uns auch das beste Frühstück der ganzen Woche. Von ihnen in unserem Vorhaben bewundert und bestärkt, starteten wir hochmotiviert in die erste Etappe.
Um den Plan Atlantik-Mittelmeer ordentlich umzusetzen, führte unser Weg zunächst nach Westen an den Strand Uhabia von Bidart. Wir schauten den Surfern beim Üben zu und widerstanden der Versuchung, in den Wellen zu baden.
Diese erste Etappe führte mit sanften Hügeln durch das Baskenland. Die Schwierigkeit des Tages wartete auf den letzten fünf Kilometern auf uns: Den „Schlussanstieg“ hatten wir bereits im Höhenprofil gesehen. Dass es sich dabei um Rampen mit z. T. über 20% Steigung handeln würde, erfuhren wir dann im wahrsten Sinne des Wortes unter ständigem Gefluche (zumindest solange dazu noch Luft war). Der Anblick des kleinsten Ritzels sowie gequälter Gesichter bot einen Vorgeschmack auf das, was uns am nächsten Tag erwarten würde.
Wir befanden uns nun auf dem Jakobsweg. Dementsprechend wurde die Idee, die Räder mit aufs Zimmer zu nehmen, mit empörtem Gelächter und dem Hinweis „On s’en fout de vos vélos“ („We don’t give a shit about your bikes“) abgetan. Solange es sich nicht um E-Bikes handele, könnten sie nicht wertvoll sein bzw. keinem hier etwas taugen. Die ganze Bedeutung dieser Ansage verstand ich erst im Verlauf…

Tag 2: Jakobsweg – Zwischen Selbstfindung, Hunger und Verzweiflung

Nach dem Frühstück bestehend aus Baguette mit Butter und Marmelade ging es direkt in die erste Rampe. Es folgten „flache“ Passagen mit 10-12% Steigung, bis wir schließlich die Zielhöhe von 1200m ü. N.N. erreichten. Wir befanden uns schon lange in einem undefinierbaren, nasskalten Mischmasch aus Nebel und Wolken und waren froh über die Kleidung, die wir noch anzuziehen hatten.
Dass die Tiere hier einfach frei herumlaufen, wurde uns schnell bewusst: Ein Schwein begleitete uns einige Meter am Anstieg, und Schafherden versperrten uns von Zeit zu Zeit den Weg.
Immer wieder trafen wir auf Pilgerer, die sich mit Sack und Pack auf die „Wandererautobahn“ begaben. An einem Stand am Straßenrand wurden Bananen, Wasser und andere Lebensmittel angeboten. Dass wir dort nicht anhielten, musste ich später noch bitter bereuen.
Eine halbe Ewigkeit ging es in der Einsamkeit auf und ab, die Départmentstraße glich oft eher einem deutschen Wirtschaftsweg. Irgendwann beschlossen wir, unserem Hunger den Kampf anzusagen und am nächsten Restaurant / Imbiss anzuhalten. Blöd, wenn sich herausstellt, dass die ausgeschilderten Restaurants und Einkaufszentren nicht existieren. Schließlich kamen wir bei Nieselregen zu einem Hotel / Restaurant. Die Frage nach einem Tisch wurde mit der Gegenfrage beantwortet, ob uns nicht gesagt worden sei, dass das Restaurant schon geschlossen sei. Vermutlich war es die Verzweiflung in meinen Augen, die die Kellnerin dazu bewegt hat, uns doch einen Tisch zu geben und eine Käse-Schinken-Platte vorzubereiten. Zusätzlich gestärkt durch Cola und Chocolat chaud setzten wir unsere Reise fort. Wir hatten die Hälfte des Weges geschafft, bei einem Schnitt von nicht mal 15 km/h. Mittlerweile hatte der Regen deutlich zugenommen.
Der zweite Teil der Etappe ging deutlich leichter von der Hand. Nach einem weiteren Zuckerschock-Stopp in einem Mini-Supermarkt nahmen wir die letzten 35 km in Angriff.
In unserer Unterkunft Chez Susan wurden wir schon freudig begrüßt und durften unsere Räder zu denen des Besitzers stellen. Nach dem Duschen erwartete uns ein internationales Abendessen mit allen Gästen des Hauses: „Keiner steht auf, bevor nicht alles aufgegessen ist.“

Tag 3: Auf den Spuren der Tour de France – Verheizen an den bekannten Pyrenäen-Pässen

Die Markierungen auf der Straße zeigten uns, dass wir uns nun auf die Spuren der Tour de France begeben hatten, wenn auch in umgekehrter Richtung. Der erste Pass war der Col d’Aubisque, den wir in moderatem Tempo und durch den Nieselregen gut gekühlt erklommen. Auf dem Weg duchquerten wir Skiorte, die verlassen und ohne Schnee irgendwie seltsam erschienen. Oben am Pass erwartete uns statt grandioser Aussicht noch mehr Kälte und weniger Sicht. Dafür konnten wir zum nächsten Pass, dem Col de Soulor, einfach rüber rollen. Nach einer anfangs sehr kalten, später sehr gut rollenden Abfahrt kamen wir schließlich in einen Ort im Tal, wo wir unsere Mittagspause machten. Mit Spaghetti und Fondant au Chocolat füllten wir unsere Speicher wieder auf und ließen uns von der Sonne wärmen.
Mit Mars und Co. in den Trikottaschen rollten wir zum Fuß des bekannten Tourmalet. 19 lange Kilometer und 1.400 Höhenmeter lagen vor uns. Weise, wer seine Kraft einzuteilen weiß!
Mittlerweile war es gar nicht mehr kalt, die Sonne knallte meist ungeschützt auf unsere schwitzenden Körper. Lange, breite Geraden, die so gar nicht steil aussahen, nagten an der Moral. Vor einem ein riesiger Fels, an ihm die Gondeln eines Sessellifts aufgereiht. Da hoch? Das war doch niemals mit fünf Kilometern getan! (Diese Trickserei mit den Kilometersteinen kannte ich mittlerweile vom Mont Ventoux und seitdem waren mir die Dinger nicht mehr geheuer.) Obwohl die Steigung auf den letzten Metern noch mal deutlich anzog (von wegen „am Ende wird es immer flacher“), war es irgendwann dann doch geschafft. Leider wurde das Passschild von den Silhouetten eher weniger sportlicher Personen geziert und auch bekamen wir keine Cola mehr am Kiosk. Dafür erwartete uns am Abend vor unserem Ruhetag ein etwas hübscheres Hotel mit einem schönen, geräumigen Zimmer und leckerem Abendessen.

Tag 4: In der Ruhe liegt die Kraft
Nach einem ausgiebigen Frühstück putzten wir unsere Räder und rollten in einen ca. 10 km entfernten Ort, zum Postkarten kaufen, Mittagessen und Einkaufen. Alle Tätigkeiten führten wir betont langsam aus, um eine maximale Regeneration zu erreichen. Die restliche Zeit vertrieben wir uns, indem wir den Athleten anderer Sportarten bei den European Championships zuschauten. So ein Ruhetag ist sicherlich wichtig, aber er macht auch Lust auf die folgende Etappe und endlich wieder auf dem Rad sitzen zu dürfen.

Tag 5: Drei Pässe und viele Kühe
Streckenmäßig die kürzeste Etappe mit nur 80 km wartete am fünften Tag auf uns. Dafür galt es mit drei Pässen doch einige Höhenmeter zu überwinden. Da das Motto des Tages ein betont langsamer Fahrstil war, dauerte es dennoch seine Zeit, bis wir an der nächsten Unterkunft ankamen.
Der Col d’Aspin mit seinen 13 km und 600 hm stellte einen angenehmen Start in den Tag dar. Er gehört zu den bekannteren Pässen in den Pyrenäen, weshalb dort deutlich mehr Leben herrschte als an anderen Pässen. Die Straße teilten sich Touristen auf Fahrrad, Motorrad und Wohnwagen mit den Kühen, die frei auf der Straße herumliefen.
Dahingegen führte der Col de Val Louron-Azet wieder kilometerlang durch die Einsamkeit, auf einer Straße, die in Deutschland niemals als Landstraße durchgegangen wäre. Auf den ersten Kilometern sah man, wie sich die Straße am gegenüberliegenden Hang zum Col du Portet hinaufschlängelte. Dieser war in diesem Jahr erstmals auch im Programm der Tour de France, hätte unseren Plan allerdings gesprengt, weshalb wir ihn ausließen. Oben am Col d’Azet fiel der Blick auf einen See und ein Dorf, an dem unsere Strecke leider vorbei führte. Letzte Rettung gab es an einem Brunnen, an dem wir unsere Flaschen für den letzten Pass auffüllten.
Mit dem Col de Peyresourde war die Arbeit des Tages dann auch geschafft. Zur Belohnung gab es Crêpes mit Zucker am Pass, und der Restaurantbesitzer hatte große Freude, Denkspiele aus Holz an seine Gäste zu verteilen und sie zum Knobeln zu animieren.
Die letzte Abfahrt des Tages führte uns in den Tour de France-Ort Bagnères de Luchon, der seine beste Zeit vermutlich vor 20 Jahren hatte und mittlerweile zu einem hässlichen Touri-Ort geworden war.

Tag 6: Quäl Dich, Du Sau!
Vielleicht lag es an der Behäbigkeit des vorherigen Tages, dass irgendwas mit uns durchging an den beiden Pässen, die auf dem Programm standen. Zuerst fuhren wir den Col de Menté, der uns auf den letzten Metern mit seinen zahlreichen Serpentinen einiges abverlangte. Als Belohnung gab es die erste Cola vor einer schönen, kurvenreichen Abfahrt, bei der der Blick immer wieder auf einsame Steinhäuser fiel, die in den Hang gebaut waren. Nach dieser kurzen Erholung folgte direkt der Col de Portet d’Aspet, der mit seinen 430 Höhenmetern auf 4,5 Kilometern eigentlich keine große Schwierigkeit hätte darstellen sollen. Vielleicht waren es die komischen Insekten, die in feinen Spinnweben von den Bäumen hingen und den ein oder anderen Ekelanfall auslösten, die den Schalter umlegten und zumindest bei mir zu vollständiger Zerstörung führten. Nach einer weiteren Cola war das Schlimmste aber schon wieder vergessen.
Im weiteren Verlauf gönnten wir uns ein ausgiebiges französisches Mittagessen mit Vorspeise, Entrecôte, Käse und Dessert, sodass wir die folgenden Kilometer tatsächlich nur noch rollen konnten.
Auf den letzten zwanzig Kilometern fuhren wir in sanftem Auf und Ab an einem Fluss entlang durch Schluchten, bis wir schließlich in Massat ankamen. Dieser Ort wirkte im leichten Regen wirklich ausgestorben; neben einem kleinen Supermarkt gab es nur ein kleines Bistro und ein Restaurant (das für uns aber zu weit entfernt am Ortsaugang lag).

Tag 7: Die Pausen werden länger – Ein weiterer 2000er zum Abschluss
An diesem Tag hatten wir die Wahl zwischen verschiedenen Routenoptionen, wobei wir uns für die längste (und schönste) Tour entschieden.
Der erste Pass, Col de Port, startete direkt am Ortsausgang von Massat und führte uns wieder mal in Wolken und Nieselregen. Nach einer eiskalten Abfahrt wärmten wir uns bei einem Bäcker mit heißen Getränken, Quiche und Tarte wieder auf.
Im Folgenden fuhren wir auf kleineren Nebenstraßen praktisch ohne Autos, um die vielbefahrene Nationalstraße N20 zu vermeiden. Dadurch sammelten wir weitere Höhenmeter und zum ersten Mal auf der ganzen Tour schien unsere geplante Route nicht zu funktionieren: Ein Schild auf „unserer“ Straße wies darauf hin, dass der Pass wegen Geröll geschlossen sei. Wir versuchten dennoch, unseren Weg fortzusetzen und, vielleicht, weil wir nicht bis ganz nach oben fuhren, konnten dies auch ohne Probleme tun. Auf der Abfahrt wurde uns der Weg mal wieder von einer Herde Kühe und Kälber, inklusive junger Bullen, versperrt. Hier zeigte sich, dass die größte Schwierigkeit in den Bergen nicht die Bewältigung der Anstiege, sondern die Auseinandersetzung mit dieser Art der Straßensperren ist und uns sogar an unsere Grenzen bringen kann.
Eine weitere Pause beim Bäcker sollte uns neue Kräfte für den Col de Pailhères geben. Dieser stellte mit seinen 18 Kilometern und 1250 Höhenmetern noch mal eine echte Herausforderung am Ende dieses Tages dar. Auf den letzten Metern half der Wind, die Höhe von 2001 Metern zu erklimmen. Auch wenn es sich nicht um die berüchtigten Mérens-Pferde handelte, so schmückte dennoch eine Herde herumlaufender kleiner Pferde den Pass.
Auf der sehr windigen Abfahrt ermutigten wir eine Engländerin, die mittlerweile zum Schieben übergegangen war, ihren Weg fortzusetzen, und Robert schenkte ihr seinen letzten Riegel.
Uns erwartete ein letzter Anstieg, um bei unserer Unterkunft anzukommen. Auf den letzten Metern hatte ich die einzige Panne der ganzen Tour in Form eines Platten. Glück im Unglück, denn ich konnte die letzten Meter schieben und der Reifen ließ sich nach dem Abendessen entspannt im Wintergarten wechseln. Im kleinsten Etappenort der Woche gab es nur einen kleinen Mini-Markt, in dem wir unsere Einkäufe für das Abendessen machten. Unser Gastgeber, Hobbygärtner und vermutlich ebenfalls Sportler, hatte Mitleid mit unseren vitaminarmen Nudeln und spendierte uns Gemüse für die Sauce.

Tag 8: Das Mittelmeer in Sicht – Wie blöd, wenn das Auto 8 Kilometer entfernt steht, Deine Tour aber noch mehr als 100 Kilometer vorsieht!

Zur Belustigung unserer Gastgeber hielten wir am Morgen unserer letzten Etappe einen kleinen Französisch-Kurs ab und übten Vokabeln und Phrasen. Mittlerweile hatten wir genug vom süßen französischen Frühstück, selbst wenn viele Marmeladen selbstgemacht waren. Nicht-Essen war aber auch keine Option.
Auch wenn der erste richtige Anstieg erst ab Kilometer 25 auf uns wartete, galt es schon kurz nach der Abfahrt, am ersten kleinen Hügel, die Kräfte zusammenzunehmen, um einen armen Franzosen stehenzulassen. Wir fuhren die kleine kurvenreiche Straße, die uns am Tag zuvor zur Unterkunft gebracht hatte, hinunter bis zur Hauptstraße und rollten dann kilometerlang bis zum Fuß des Col de Jau. Dieser Pass mit 18 Kilometern und 1.000 Höhenmetern war der letzte „richtige“ Pass unserer Tour (dass es der noch folgende „Mini“-Pass noch richtig in sich haben würde, wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht). Es folgte eine ewig lange Abfahrt, die leider zum Teil durch Kies nicht gut zu fahren war.
Nach 70 Kilometern brauchten wir eine Pause. Da am Feiertag viele Läden geschlossen hatten, entschieden wir uns für den erstbesten Imbiss, bei dem wir uns mit Cola, Sandwich und Eis stärkten.
Zum Glück war der Wind bei der Weiterfahrt auf unserer Seite, und so kamen wir gut voran. Dennoch machten wir bei Kilometer 100 einen weiteren Zucker-Stopp an einem großen Supermarkt. Ermüdet durch die vielen gefahrenen Kilometer in der vergangenen Woche sowie die zunehmende Hitze, war es schwer, sich zur Weiterfahrt zu motivieren. Zudem stellte Joachim fest: „Das Auto steht nur 8 km (Luftlinie) entfernt auf dem Hotelparkplatz, unsere Tour sieht aber noch mehr als 100 km vor!“ Man muss schon ein bisschen bescheuert sein für Vorhaben dieser Art, aber Pläne gilt es ordentlich umzusetzen!
Gesagt, getan – wir fuhren weiter und nach 30 Kilometern kamen wir am Meer an. Der Clou meiner Tourenplanung: Es wartete ein letzter Anstieg auf uns, mit einer „überwältigenden Sicht von Narbonne im Norden über Perpignan die ganze Küste entlang bis weit nach Spanien hinein“. Die Intention war also, der Woche so einen runden Abschluss zu geben, zurückzublicken auf die Berge auf der einen und das Meer auf der anderen Seite. Dass hierfür nochmals Rampen mit über 20% Steigung zu bewältigen sein würden, wurde erst klar, als der Track immer weiter nach oben führte und der Turm am höchsten Punkt nur ganz langsam näher kam. Ein paar Wanderer, die sich den Weg nach oben schleppten, ermutigten uns zur Weiterfahrt. Die Aussicht war tatsächlich beeindruckend, die Woche also (fast) geschafft. Sorgen bereitete mir die anstehende Abfahrt auf dem zum Teil von Schotter verschütteten Weg.
Unten angekommen tankten wir ein letztes Mal ungesunde Energie in Form von Schokobrötchen und Cola an einem Supermarkt, bevor wir uns unseren Weg durch die Touri-Orte Richtung Perpignan bahnten.
Für ein Bad im Meer war leider keine Zeit, denn der Blick auf die Uhr mahnte, sich ranzuhalten, bevor die Sonne untergehen würde. Da unser Hotel am südwestlichen Rand von Perpignan lag, führte unsere Route auch nicht direkt in die Stadt. Scheinbar endlos bogen wir immer wieder entgegengesetzt zu den Perpignan-Schildern ab und befanden uns irgendwo im Nirgendwo. Nach einem letzten falschen Abbiegen meinte Robert, wir würden unser Ziel in weniger als einem Kilometer erreichen. Und so standen wir tatsächlich kurze Zeit später, im Moment des Sonnenuntergangs, auf dem Hotelparkplatz. Glücklich und sehr erschöpft.
Bei Sandwich und Cola ließen wir den Abend ausklingen, bevor wir am nächsten Tag mit dem Auto zurück nach Deutschland fuhren.

Pyrenäen – Was bleibt

Nach knapp zwei unglaublich spannenden, aufregenden und lustigen Wochen in Frankreich kehrte ich mit vielen schönen Erinnerungen und Geschichten nach Deutschland zurück.
Meine anfänglichen Sorgen, ob unsere Pläne funktionieren würden, waren bestimmt nicht unbegründet, aber haben sich zumindest in unserem Fall nicht bestätigt. Wir hatten großes Glück mit dem Wetter, keine Unfälle oder andere körperliche Wehwehchen, (fast) keine Pannen und (fast) keine Unstimmigkeiten bei der geplanten Strecke.
Für mich war es das erste Mal, dass ich eine solche Etappenfahrt ohne Begleitfahrzeug gemacht habe. Es hat seinen Reiz, nur mit dem Nötigsten zu reisen und dies immer bei sich zu haben. Dies stellt eine gewisse Unabhängigkeit dar, auch wenn man angreifbarer für Komplikationen ist.
Die Reise war präzise geplant, alle Unterkünfte inkl. Frühstück im Vorfeld gebucht und die Strecken von Unterkunft zu Unterkunft geplant, um möglichst wenig denken zu müssen. Diese Mehrarbeit im Vorfeld kann ich nur empfehlen, um Stress nach einem anstrengenden Tag zu vermeiden.
Die Pyrenäen sind ganz anders als beispielsweise die Alpen, irgendwie rauher. Dies zeigt sich bei Betrachtung der Anstiege, des Wetters, der Infrastruktur, der Besiedelung…
Zu guter Letzt bin ich froh um die gute Gesellschaft während dieser Reise. Alleine hätte ich die ein oder andere Durststrecke deutlich schwieriger durchgestanden. So hatten wir eine Menge Spaß, sind vor Lachen manchmal fast vom Rad gefallen und haben die Herausforderungen zusammen gemeistert. Merci beaucoup.

Lotte Märtner

Alle Mitglieder des RSV Heidelberg finden im Forum den Bericht mit weiteren Bildern und Links zur Tour.